im April
Tom Schulz: Die Erde wird Eigentümer unserer Unternehmen
Die Erde wird Eigentümer unserer Unternehmen.
Was wir aus ihr holen, was wir anbauen, opfern
wir nicht länger den Göttern. Konzerne sind keine
Sterne, Gewinnzonen verrinnen. Einmal wollen
wir alle auch arm sein, keinen Zehnten geben.
Teilhabe von Biene und Wabe, Wachs - und die
Königin? Wer tauscht die Anteile ein, wer pumpt
das Abgeschöpfte zurück? Spricht ein Mensch.
Kauft Zahnbürsten aus Bambus, spendet der Erde
eine Gießkanne voll Wasser. Wie weiter?
Noch ein Gedicht, das nicht staunt wie ein Kind.
Wir gehören Bruchsteinen, Wasser, dem Wind.
Schon ziehen Geckos ein in den Saal mit den Meister-
Werken. Eine Schaufel Sand, um uns zu krönen.
Und die Tiere erreichen die Supermarkt-Arche.
Tom Schulz: Die Erde hebt uns auf. Gedichte. poetenladen, Leipzig 2024
im März
Mazen Maarouf: Klimahypothese
Stell dir mal vor
ein Kind
und wo es zu Ende geht, noch ein Kind
dahinter ein Kind
daneben ein weiteres Kind
davor ein Kind
und immer so weiter, überall Kinder
Stell dir vor
die stünden alle da
und klapperten mit den Knochen ihrer dürren Finger
alle gleichzeitig
würde sich das nicht
wie Regen anhören?
deutsch von Sandra Hetzl
in: G. Almadhoun/S. Geist (Hg.), Kontinentaldrift. Das Arabische Europa
Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2023
im Februar
Joanne Burns: abhängigkeitstag
der kunstrasen wellt sich, wirft blasen auf den
hollywood hills, die wälder der welt mutieren zur
halde, keine büsche mehr da, die man anzünden
könnte, um die gierigen götter des feuers zu
symbolisieren, religionen von gestern, gealtert,
mit donuts und bissen von fettigen burgern,
ihre kräfte vergeudet in mickrigen fürzen,
milliarden von augen schauen zum himmel, um
ihn zu lesen: riesige feuerwolken blähen sich
auf wie gewaltige wunder, ein fest am ende
aller tage, das fremde raumschiff ist
fast schon gelandet
die welt tanzt in ihren
wüsten, schluchten,
ausgetrockneten
straßen, statisten
einer
massenszene in einem
alten film
marathon, nostalgie
beherrscht die himmel
deutsch von Ulf Stolterfoth
in: Ivor Indyk (Hg.), Hochzeit der Elemente, Dumont, Köln 2004
im Januar
Arne Rautenberg: in blättern wie flammen
großer mensch
kopflos stehend auf zwei beinen
im morast
von oben umstrahlt von unten umwittert
es gibt sehr vieles da draußen
das nicht gesicht ist
großer mensch
der du innen hohl
noch wurzeln schlägst
dein rumpf wird stamm
deine arme werden äste
deine hände werden zweige
deine finger werden blätter
was glaubst du woher das ganze gift kommt?
und was glaubst du wohin es verschwindet?
Arne Rautenberg: sekundenfrühling. Gedichte. Wunderhorn, Heidelberg 2023