Soweto, 24.04.

Größtes Schild weit und breit: "New white powder for whiter results."

 

Die Meadowlands brennen: legale Praxis, um das Land fruchtbar zu halten - wofür? Grünere Müllhalden? Bessere Brachen?

 

Mit dem Minibus kommt nur von A nach B, wer "die Zeichen" kennt, die Handzeichen, mit denen man den Zielort anzeigt, bevor man einsteigen darf.

Im Township kann ein Xangali die Straßenseite, die schon zur Zulu-Zone gehört, nicht betreten, ohne etwas zu riskieren: Streit, Schläge, das Leben womöglich. Alte, aus Zeiten der Schwarzweißapartheid antrainierte Muster des Abgetrenntseins. Die Townships der Inder und der Afrikaner wurden weit von einander entfernt in die Steppe um Joburg geklatscht, damit die einzelnen Bevölkerungsgruppen nicht so leicht zueinanderfinden, nicht gemeinsame Sache machen konnten.

 

Nicht das Gesicht, den erschöpft, schlaff und dabei unnachahmlich elegant auf die Ladefläche geflegelten Körper des Mannes auf dem Pickup vor uns vergessen, nicht sein dunkles, unterm Schweiß funkelndes Gesicht: Wer bist du, wie lebst du, wie bist du aufgewachsen? In einem 3-Raum-Häuschen, Küche inclusive, mit neun Geschwistern und einer Mutter, die als Zubrot Maisschnaps brannte?

Es gibt auch größere Häuser, mit frischem Anstrich und mehreren Audis davor.

 

Abends in Bolo´s Gasthaus: Alte Küchenschränke und -utensilien, Blechschilder, Bilder, Devotionalien, ein museales Arrangement, doch ganz lebendig in seiner Wehmut und seinem Beharrungswillen. "Wir haben nie in einem Slum gelebt", sagt Bolo, und ich glaube ihm aufs Wort, ohne die Klos am Straßenrand zu vergessen, die Hütten, die Kinder im Daycare SKY, die für uns den Gambodance tanzten - "Los, zeigt die Gabe, die Gott euch geschenkt hat!" - den Schuhplattler der Minenarbeiter, den Gummistiefelstepptanz der streikenden Bergleute.

Auf dem Weg zur örtlichen Polizeistation, wo ich die Toilette benutzen darf, weil die bei Bolo´s europäischen Prinzessinnen auf der Erbse nicht zuzumuten ist, meint unser junger Begleiter: "We have to become colourblind, all of us." Und: "Next time we should vote for a woman."

 

 

 

Limpopo, 26.04.

Zeitungsheadline: "The monkey hates my wife."

 

Und 150 Meter weiter das Ortsschild: Mystic Monkeys.

 

Auf der Höhe eines Friedhofs, dessen Grabmale am Hang ein weißes Kreuz bilden, materialisieren sie sich endlich: Graubraune Affen am Straßenrand, beim Bankett. Wie leben die Termiten in ihren Türmen? Und die Schlange in den Armen des Köcherbaums?

 

In der Galerie von John Baloyi sieht es aus wie in Pompeji. Die Wände sind mit Malereien bedeckt, in warmem Rot, Pompejirot. Die Räume verfallen, die Holzskulpturen werden dem Wetter, das durch die offenen, zum Teil noch nie verglasten Fensterhöhlen einfällt, nicht mehr lange widerstehen können. Es gibt keine staatliche noch sonst eine Unterstützung für eine abgelegene Galerie, die einem mit 21 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Künstler aus der Provinz gewidmet ist. Seine Frau und sein Kind, das zum Zeitpunkt des Unglücks gerade drei Monate alt war, stehen ratlos dabei, während Vonani uns die kurze Geschichte erzählt. Chimären starren, Krokodile mit Menschenköpfen, Menschen mit Vogelgeschlecht, Hunde aus anderen Höllen, schlimmen Kindermärchen. Wieder auf der Straße, geht mein Schrecken vorbei, der schwarze Hund an der Seite einer Frau im roten Rock. Das Bündel Holz auf ihrem Kopf ist zwei Meter lang. Auf dem Maisfeld lässt der Wind die dünnen Staudenknochen klappern.

 

Wie leben die Dornbüsche? Wie die mystischen Affen?

 

 

Limpopo - Harare, 29.04.

Die Baboons, vor denen die Schilder warnen, gibt es wirklich. Paviane der Grenze, die aus dem fast trockenen Flussbett ins Gespinst der Zäune steigen, hinter denen wir zwei Kilometer weit durch die Mittagshitze zum Zollgebäude trotten.

 

Ein Tag im Bus, und man verwandelt sich in ein Schwein. Eigentlich in ein wesentlich dreckigeres Geschöpf. Auch die Sprache verkommt, selbst die deutschen Sätze verrutschen, Wortfindungsstörungen setzen ein. Die meisten Eindrücke scheinen in einem Orkus aus Motorenlärm, vorüberziehendem Buschland, hysterischem Gelächter, Staub und dem Gestank nach Schweißfüßen untergegangen zu sein. Nur das Licht über den bewaldeten Bergen und den Tieren an der Straße - über Eseltieren, Rindtieren, Mülltieren -, das rosige, grüne, violette Licht bei Einbruch der Dämmerung, das Violencelicht, dieser Seelenöffner, scheint eine Konsistenz zu besitzen, die es im Gedächtnis haften lässt, als wäre es in mir, immer, und sein Erscheinen über einer Landschaft erinnerte mich nur daran - das und der blasse Skorpion aus Sternen gestern Abend über den Hügeln.