Brücken

                                                                                   Foto: Oliver Stahmann

 

 

Aleksei BrobrovnikovKennedys Brücke

 

In einigen Städten, die ich kenne
gibt es eine Brücke, die Kennedy-Brücke heißt. 
Sie ist Sinnbild und vermittelt zugleich 
zwischen zwei Seiten von etwas
(von irgendetwas vielmehr)
eine Straße zwischen den Flussufern, den Bahngleisen.
Ich denke oft an eine Brücke als an eine Rute mit Leine, 
                                                           verbunden mit den Unbekannten
Erwartung
Aufstieg und Fall.
Die Veränderung.
Die Entscheidung.
Die Möglichkeit.
Die Schönheit einer geraden, genauen Linie.
(Da es auf einer Brücke weder Biege noch Wende gibt.)
Sie ist ein Ort, den du querst, wenn die Wahl schon getroffen ist.
Manchmal auf beiden
Seiten.
Darum ist Kennedy-Brücke der perfekte Name für jede Brücke,
                                                                                    denn wohin sie auch führt,
sie führt zum Ort einer Entscheidung.
Ich erinnere mich
(obwohl ich damals noch nicht geboren war)
dass mein Großvater weinte, als er die Nachrichten aus Dallas 
                                                                                          hörte, über JFK.
Und seine Frau hielt seinen Kopf, als sie hörte,
Jacklin tat das gleiche
mit Johns.
Ich denke daran, wenn ich irgendeine Brücke überquere
besonders
die Kennedys.
Denn je schöner und kunstvoller das Bauwerk ist
desto mehr Kraft trägt das Symbol 
der Brücke —
das Symbol
das sich mit dem Namen verbindet
denn der Name
und sein Ansehen
überqueren sie immer 
zuerst.
Genau das ist es, was Ed Kennedy nicht bedacht hat
1969
als er den Unfallort verließ
und dann zusah, wie der Ruhm seines Namens
von der unglückseligen
Chappaquiddick-Brücke
kippte
mit dem Auto und der Leiche der Ertrunkenen darin, die er 
                                                                                 zurückgelassen hatte.
Das zerstörte den ganzen Glanz
des Namens
Kennedy
über
Nacht.

 

deutsch von Sylvia Geist

 

 

                                                                                 Foto: Hans Wagenmann

 

 

Karin Fellner: apartes Altern

 

dir entgegen rag ich, trage nichts weiter als

mein Leibchen, sehe ab vom alten Ego und dehne 
dem altera pars mich zu:                     Du! wenn wir zwei so
leicht von uns abstehen wie unsere Ohren, wenn
wir rausspringen aus unsern Kragen, wackelig und form-unbewusst vorkragen – bilden wir dann eine Brücke
von mehreren Spannweitenmetern?
spannen wir uns doch ab und quellen über das Schramm-
bord, lassen die Idee von Beschlächten zurück und
horch: wie die Rückgrate jetzt zu brizzeln beginnen!
 

 

                                                                                          Foto: Sylvia Geist

 

Cate Marvin: Schrei gehört, weit weg
 
Ein vorzeitlicher Lärm sägt die Luft.
Würde bitte jemand dieser Kreatur helfen?
Die Elefanten in ihrem silbernen Dom, umwölkt
von Nieselregen, sind dem Haus hier näher
als andere Exponate, aber dieser uralte Lärm
kann nicht ihrer sein. Grau gegen grau,
wird der Tag sie nicht verstören.
 
Stadtbäume im Pulk, stumpf im Mahlen
der Atmosphäre. Würde dieser Kreatur bitte 
jemand helfen? Es klingt hoch, gefangen
im Betrieb der Bäume. Sein Schrei sticht in die Ohren
der Hündin. Jetzt robbt sie ängstlich
an der Tür entlang. Angeschlagen klingt es,
eingeklemmt und im Stich gelassen.
 
Es klingt hoch, gefangen im Betrieb
der Luft. Zeit, herauszufinden, welche Kreaturen
hier untergebracht sind, ich weiß. Freilich, der Zoo:
Ich brenne nicht darauf, möchte keinen Käfig sehen.
Doch dieser Schrei: ein Lärm, gekrümmt wie eine Säge,
die den dumpfen Nachmittag teilt. Ich würde sie hoch
ansetzen, umfahren von Bäumen.
 
Ich weiß, es ist Zeit die Kreatur zu entdecken,
groß genug, dieses Geräusch hervorzubringen, gefiedert.
Wie putzt sie sich, wo schläft sie,
was für Dinge geben sie ihr zu fressen?
Ihr Lärm sagt, sie ist gefangen und nicht gefangen.
Jetzt hat der Lärm aufgehört. Jemand setzt
einen Käfig über seine Kreatur.
 
deutsch von Sylvia Geist
 
 

                                                                          BildWerk: Charl-Pierre Naudé

 

 
Peter Piontek: Hinterhof
 
Ich verlasse die Höfe mit
den alten vergreisten Bäumen
 
dieses Leben also in dem das Licht
angeht in einer Küche gegenüber
 
dieses Leben in dem es diesen Hinterhof
gibt in den ich hinunterschaue
 
in dem sich ein Fünfjähriger die Finger
klemmt mit einer Beißzange
 
(der Hühnerhagen sollte abgerissen werden, es
war nicht mehr die Zeit für Hühner in der Stadt)
 
wir haben Hinterlassenschaften gesichtet
meiner Eltern so viele Jahre haben
 
ihre Erinnerungen verloren dieses Leben
kann ich nicht mehr erreichen
 
ich zeichne die Linien der Dächer
jenseits des Hofes nach Schornsteine
 
Antennen der alte Birnbaum ähnelt
einer Häkelarbeit mit grünem Garn
 
dieses Leben also ich stehe
vom Tisch auf stelle die Stühle hoch
 
ich lösche das Licht und horche
auf das Geräusch mit dem die Tür
ins Schloß fällt