im August
Gerard Manley Hopkins: The Candle Indoors
Some candle clear burns somewhere I come by.
I muse at how its being puts blissful back
With yellowy moisture mild night's blear-all black,
Or to-fro tender trambeams truckle at the eye.
By that window what task what fingers ply,
I plod wondering, a-wanting, just for lack
Of answer the eager a-wanting Jessy or Jack
There/God to aggrandise, God to glorify. -
Come you indoors, come home; your fading fire
Mend first and vital candle in close heart's vault:
You there are master, do your own desire;
What hinders? Are you beam-blind, yet to a fault
In a neighbour deft-handed? are you that liar
And, cast by conscience out, spendsavour salt?
Gerard Manley Hopkins: Poems and prose.
Selected and edited by W.H. Gardener, Penguin Books, 1963
im Juli
Sarah Kirsch: Der Milan
Donner. Die roten Flammen
Machen viel Schönheit. Die nadligen Bäume
Fliegen am ganzen Körper. Ein wüster Vogel
Ausgebreitet im Wind und noch arglos
Segelt in den Lüften. Hat er dich
Im südlichen Auge, im nördlichen mich?
Wie wir zerrissen sind, und ganz
Nur in des Vogels Kopf. Warum
Bin ich dein Diener nicht ich könnte
Dann bei dir sein. In diesem elektrischen Sommer
Denkt keiner an sich und die Sonne
In tausend Spiegeln ist ein furchtbarer Anblick allein.
Gisela Linder (Hg.): Rot - Farbe der Liebe. Insel, Frankfurt a.M. 2003
im Juni
P. K. Page: Elements
Feeling my face has the terrible shine of fish
caught and swung on a line under the sun
I am frightened held in the light that people make
and sink in darkness freed and whole again
as fish returned by dream into the stream.
Oh, running water is not rough: ruffled to eye,
to flesh it's flat and smooth; to fish
silken as children's hands in milk.
I am not wishful in this dream of immersion.
Mouth becomes full with darkness
and the shine, mottled and pastel, sounds its own note, not
the fake high treble thrown on resounding faces.
There are flowers - and this is pretty for the summer -
light on the bed of darkness; there are stones
that glisten and grow slime;
winters that question nothing, are a new
night for passing movements of fine fins;
and quietly, by the reeds or the water fronds
something can cry without discovery.
Ah, in daylight the shine is single
as dime flipped or gull on fire or fish
silently hurt - its mouth alive with metal.
Ralph Gustafson (Hg.): Canadian Verse. Penguin Books, Baltimore 1958
im Mai
Louise Glück: Vespern
Ich frage mich nicht mehr, wo du bist.
Du bist im Garten, du bist, wo John ist,
im Dreck, geistesabwesend, seine grüne Kelle in der Hand.
So gärtnert er: fünfzehn Minuten heftiger Anstrengung,
fünfzehn Minuten verzückten Innehaltens. Manchmal
arbeite ich neben ihm, erledige die Schattenpflichten,
Unkraut jäten, die Salate ausdünnen, manchmal sehe ich
von der Veranda beim oberen Garten zu, bis die Dämmerung
die ersten Lilien in Lampen verwandelt: all die Zeit
weicht der Frieden nicht von ihm. Durch mich aber stürzt er,
nicht wie Nahrung, die die Blüte erhält,
sondern wie strahlendes Licht durch den kahlen Baum.
Louise Glück: Wilde Iris. Gedichte.
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Draesner
Luchterhand Literaturverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe
München 2020
im April
Tom Schulz: Die Erde wird Eigentümer unserer Unternehmen
Die Erde wird Eigentümer unserer Unternehmen.
Was wir aus ihr holen, was wir anbauen, opfern
wir nicht länger den Göttern. Konzerne sind keine
Sterne, Gewinnzonen verrinnen. Einmal wollen
wir alle auch arm sein, keinen Zehnten geben.
Teilhabe von Biene und Wabe, Wachs - und die
Königin? Wer tauscht die Anteile ein, wer pumpt
das Abgeschöpfte zurück? Spricht ein Mensch.
Kauft Zahnbürsten aus Bambus, spendet der Erde
eine Gießkanne voll Wasser. Wie weiter?
Noch ein Gedicht, das nicht staunt wie ein Kind.
Wir gehören Bruchsteinen, Wasser, dem Wind.
Schon ziehen Geckos ein in den Saal mit den Meister-
Werken. Eine Schaufel Sand, um uns zu krönen.
Und die Tiere erreichen die Supermarkt-Arche.
Tom Schulz: Die Erde hebt uns auf. Gedichte. poetenladen, Leipzig 2024
im März
Mazen Maarouf: Klimahypothese
Stell dir mal vor
ein Kind
und wo es zu Ende geht, noch ein Kind
dahinter ein Kind
daneben ein weiteres Kind
davor ein Kind
und immer so weiter, überall Kinder
Stell dir vor
die stünden alle da
und klapperten mit den Knochen ihrer dürren Finger
alle gleichzeitig
würde sich das nicht
wie Regen anhören?
deutsch von Sandra Hetzl
in: G. Almadhoun/S. Geist (Hg.), Kontinentaldrift. Das Arabische Europa
Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2023
im Februar
Joanne Burns: abhängigkeitstag
der kunstrasen wellt sich, wirft blasen auf den
hollywood hills, die wälder der welt mutieren zur
halde, keine büsche mehr da, die man anzünden
könnte, um die gierigen götter des feuers zu
symbolisieren, religionen von gestern, gealtert,
mit donuts und bissen von fettigen burgern,
ihre kräfte vergeudet in mickrigen fürzen,
milliarden von augen schauen zum himmel, um
ihn zu lesen: riesige feuerwolken blähen sich
auf wie gewaltige wunder, ein fest am ende
aller tage, das fremde raumschiff ist
fast schon gelandet
die welt tanzt in ihren
wüsten, schluchten,
ausgetrockneten
straßen, statisten
einer
massenszene in einem
alten film
marathon, nostalgie
beherrscht die himmel
deutsch von Ulf Stolterfoth
in: Ivor Indyk (Hg.), Hochzeit der Elemente, Dumont, Köln 2004
im Januar
Arne Rautenberg: in blättern wie flammen
großer mensch
kopflos stehend auf zwei beinen
im morast
von oben umstrahlt von unten umwittert
es gibt sehr vieles da draußen
das nicht gesicht ist
großer mensch
der du innen hohl
noch wurzeln schlägst
dein rumpf wird stamm
deine arme werden äste
deine hände werden zweige
deine finger werden blätter
was glaubst du woher das ganze gift kommt?
und was glaubst du wohin es verschwindet?
Arne Rautenberg: sekundenfrühling. Gedichte. Wunderhorn, Heidelberg 2023